02.11.2025

Zukunft gestalten: Interviews aus unserem Netzwerk – DE-CIX Group AG


Ivo Ivanov

CEO DE-CIX Group AG

 

Im Gespräch mit Ivo Ivanov von DE-CIX Group AG geht es darum, welche Rolle Interconnection-Plattformen für Unternehmen spielen, wie Latenzen, Sicherheit und Resilienz optimiert werden, welche Chancen KI und Edge-Computing bieten und welche Zukunftstechnologien – vom orbitalen Internet bis zu Echtzeitanwendungen – die digitale Infrastruktur prägen.

 

Digitale Transformation braucht eine stabile und leistungsfähige Infrastruktur. Welche Rolle spielen Interconnection-Plattformen wie DE-CIX heute für Unternehmen in Deutschland und weltweit? Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Anbindung, und wie begegnen Sie diesen technisch und strategisch?

Unternehmen sind heute auf leistungsstarke, verlässliche und schnelle Datenverbindungen angewiesen. Internetknoten wie die von DE-CIX spielen dabei eine zentrale Rolle, denn an Internet Exchanges schalten sich Netze direkt zusammen. Ohne Umwege über das öffentliche Internet tauschen Internetdienste, Netzbetreiber oder Cloud-Provider dabei Daten direkt, effizient, sicher und kontrolliert aus. Wer Daten in einer Region oder Stadt lokal verarbeitet, ist weniger abhängig von Transitverbindungen und verbessert die Routingqualität. Für echtzeitkritische Anwendungen ist das entscheidend. Denn je kürzer der Weg, desto kürzer die Latenz und damit die Zeit, die während einer Datenübertragung vergeht.

Schließlich bedeutet Zeit in einer vernetzten Wirtschaft Geld. Prozesse stocken, Applikationen hängen und Nutzer springen ab: Sobald digitale Dienste oder Anwendungen verzögert reagieren, stottern Geschäftsmodelle. Von der Industrie über die Mobilität bis hin zur Medizin – leistungsstarke und verlässliche Konnektivität ist das Rückgrat aller Anwendungen, die auf minimierte Latenzzeiten angewiesen sind. Applikationen, die davon profitieren, wenn Daten über Internetknoten verkehren.

Gerade für KI-Anwendungen reichen einzelne große Rechenzentren nicht mehr aus. Um Bits und Bytes mit der notwendigen Latenz zu verarbeiten, muss die digitale Infrastruktur näher an den Ort der Anwendung rücken: Kleine Edge-Rechenzentren an Autobahnen, in Industriegebieten oder bei Fabriken werden künftig Latenzzeiten immer weiter minimieren. Vor diesem Hintergrund baut DE-CIX sein globales Interconnection-Ökosystem aus und arbeitet eng mit der Politik auf Landes- und Bundesebene zusammen. Wir setzen uns dafür ein, dass Investitionen in digitale Infrastruktur attraktiver werden und Planungs- sowie Genehmigungsverfahren deutlich schneller ablaufen. Denn nur mit einer zeitgemäßen, flächendeckend verteilten Interconnection-Infrastruktur kann Deutschland die Potenziale von KI und digitaler Wertschöpfung voll ausschöpfen – und seine Position als Digitalstandort sichern.

 

Globale Vernetzung ist nicht nur ein Standortvorteil, sondern zunehmend ein Wettbewerbsvorteil. Wie unterstützt das internationale DE-CIX-Netzwerk Unternehmen dabei, Resilienz, Sicherheit und Wachstumspotenziale auszubauen – und welche Branchen profitieren aktuell am meisten?

DE-CIX ist ein Rechenzentrums- und Netzbetreiber-neutraler Anbieter. Wer sich anschließen möchte, entscheidet sich flexibel für den Provider, der am besten zu den eigenen Anforderungen passt. Was einseitige Abhängigkeiten verhindert, fördert zugleich die Marktvielfalt: DE-CIX setzt auf eine diversifizierte, redundante und damit besonders ausfallsichere Providerstruktur.

Wer Daten direkt und am öffentlichen Internet vorbei austauscht, der reduziert mögliche Einfallstore für Dritte. Unternehmen, die sich etwa in Closed User Groups über DE-CIX organisieren, lassen ihre Daten besonders geschützt und zuverlässig zwischen Partnern, Lieferanten und Kunden verkehren. Private Interconnection-Services für Clouds bieten zusätzliche Sicherheit. Auch DDoS-Attacken lassen sich einfach abwehren. Unternehmen kontrollieren ihre Datenflüsse, passen ihre Netzwerke an geschäftliche und regulatorische Anforderungen an und bestimmen souverän darüber, wo und wie sie Informationen verarbeiten.

Die wirtschaftlichen Effekte von Internetknoten sind messbar: Laut einer aktuellen Studie der Dstream Group trägt DE-CIX Frankfurt rund 3,7 Milliarden Euro jährlich zur digitalen Wertschöpfung in Deutschland bei. Der Internetknoten am Main steigert die Leistungsfähigkeit digitaler Cloud-Anwendungen, hält Netzwerke verfügbar, stärkt die Resilienz von Firmen und zieht so immer mehr Unternehmen an den Standort Frankfurt. Genau das gelingt nirgendwo auf der Welt besser als in der hessischen Metropole: Mit 20 Internet Exchanges, 2.500 einzigartigen Netzwerken und einer Portkapazität von über 200 Terabit pro Sekunde bietet die Stadt das dichteste und leistungsfähigste Interconnection-Ökosystem der Erde, was Frankfurt laut Dstream-Studie nicht nur zum digitalen Herzen Europas, sondern zur digitalen Hauptstadt der Welt macht.

Kunden von DE-CIX profitieren von dem weltweit größten, neutralen Interconnection-Ökosystem mit über 60 Standorten auf fünf Kontinenten und mehr als 4.000 angeschlossenen Netzwerken. DE-CIX verbindet Internetdienstanbieter, Cloud-Plattformen, Rechenzentren, Unternehmensnetzwerke und Content-Provider – unabhängig von einzelnen Betreibern oder Technologien. Mit einem einzigen Zugangspunkt greifen Unternehmen weltweit auf Interconnection-Services wie Peering, Cloud-Konnektivität oder Closed User Groups zu.

 

Digitalisierung und Vernetzung schreiten immer weiter voran. Welche Rolle spielt Interconnection in der Zukunft? Und welche neuen Entwicklungen des Internets der nahen Zukunft werden die Gesellschaft Ihrer Meinung nach am meisten überraschen?

Künstliche Intelligenz treibt Welt und Wirtschaft an. Speziell um trainierte Algorithmen anzuwenden hat DE-CIX kürzlich den AI Internet Exchange (AI-IX) an den Start gebracht. Der AI-IX schaltet datenintensive, vernetzte und echtzeitkritische KI-Applikationen resilient, sicher und latenzarm zusammen. Aktuell sind bereits über 50 KI-relevante Netzwerke – darunter Provider für Inferenz-, GPU-as-a-Service und Cloud-Dienste – sowie global mehr als 160 Cloud-On-Ramps an die Plattform angeschlossen.

In einem nächsten Schritt planen wir unsere weltweiten Internet Exchanges auf Ultra Ethernet umzustellen. Die aktualisierte Version des Ethernet-Standards ist auf datenintensive KI-Workloads in dezentralen und geografisch verteilten Clustern ausgerichtet, was neue Möglichkeiten eröffnet, um KI-Modelle anzulernen.
Auch vor dem Weltall macht das Internet keinen Halt. So forschen DE-CIX und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt aktuell an Lösungen, um die Kommunikation mit LEO-Satellitenkonstellationen im erdnahen Orbit (Low Earth Orbit, LEO) zu optimieren. Schließlich bilden LEO-Satelliten die technische Grundlage orbitaler Interconnection. Da sie besonders niedrig um den Globus kreisen, sind Datensignale auf kürzeren Strecken deutlich schneller unterwegs als etwa bei GEO-Satelliten.

Unsere gemeinsame Forschung ist ein wichtiger Baustein für die digitale Infrastruktur von morgen. Egal ob Künstliche Intelligenz, immersive Technologien oder humanoide Roboter – Anwendungen wie diese benötigen extrem niedrige Latenzzeiten, teils im einstelligen Millisekunden-Bereich. Gewinnt das Weltall als Wirtschaftsraum zunehmend an Bedeutung, wachsen auch die Anforderungen an die digitale Infrastruktur im Orbit und darüber hinaus. Schalten sich Satellitenbetreiber künftig am Space-IX zusammen, dem ersten DE-CIX-Internetknoten im Orbit, ermöglicht das nicht nur einen direkten Zugang zu Content-, Cloud- und Anwendungsnetzwerken, sondern schafft die Basis, auf der künftige Geschäftsmodelle zwischen Erde und Weltall aufbauen können.

 

Olivia
Alle Beiträge